
Historische Gegenstände sind ein Fall fürs Museum. Das ist bei alten Apfel- und Birnensorten im Prinzip nicht anders. Nur dass das Museum Obstwiesen sind. Solche will das Projekt „Apfel – Birne – Berge“ des Bezirks Oberbayern entlang der Alpen etablieren. Auch im Landkreis Miesbach werden derzeit Flächen gesucht.
VON DIETER DORBY
Miesbach – Der erste Schritt ist geschafft. Von den unbekannten Apfel- und Birnensorten, die im Rahmen des Projekts „Apfel – Birne – Berge“ entdeckt wurden, konnte in einer Obstbaumschule in Poxdorf (Gemeinde Königsfeld bei Bamberg) eine Nachzucht angelegt werden. „Damit ist der Erhalt dieser Sorten gesichert“, freut sich Eva Bichler-Öttl.
Die Warngauerin kümmert sich als Projektmanagerin federführend darum, dass alte Obstsorten im oberbayerischen Alpenvorland erhalten bleiben. Und nicht nur das: Sie sollen erfasst, benannt, katalogisiert und nach Möglichkeit wieder verbreitet werden. Oder aber zumindest den Weg ins Museum – also den Erhaltungsgarten – finden, um als Art erhalten zu bleiben. Ein Standort für so eine Obstwiese wird nun landkreisweit gesucht – auch die Stadt Miesbach will sich beteiligen (s. Kasten). Neudeutsch heißt das angestrebte Ziel: die Biodiversität in der Region schützen und erhalten.
Für die Ex-Kreisfachberaterin am Landratsamt Miesbach ist das Projekt ein echtes Abenteuer. „Das ist eine sehr reizvolle Aufgabe“, sagt sie. Mit großem Potenzial. Denn die in Vergessenheit geratenen Apfel- und Birnensorten bieten eine ganz spezielle Vielfalt. „Es gibt Birnen, die wie Zitronen schmecken, und Äpfel, die an Banane erinnern.“
Und noch mehr: Einige Sorten weisen Eigenschaften auf, die auch heute noch für bestimmte Nutzungsarten wie das Brennen oder das Dörren interessant sind. Namentlich die sogenannte Haferbirne, von der ein Baum bei Schreiner Thomas Gartmeier in Sonderdilching (Gemeinde Weyarn) steht. Die winzigen, bei Vollreife aber zuckersüßen und aromatischen Früchte sollen nun für einen Reihenversuch zur Herstellung von sortenreinen Edelbränden in Zusammenarbeit mit dem Südostbayerischen Brennerverband und regionalen Brennereien geerntet werden, berichtet Bichler-Öttl. „Für diesen Versuch wurden 30 besonders erfolgversprechende Sorten zwischen Weilheim und Berchtesgaden ausgewählt.“
Seit 2015 läuft das Projekt. Die Regierung von Oberbayern hatte die Sortenkartierungen in den Jahren 2015 bis 2018 in Auftrag gegeben und damit den Grundstein für das Umsetzungsprojekt „Apfel – Birne – Berge“ gelegt. „Wir haben viele Sorten gefunden, die uns unbekannt sind und auch von Pomologen nicht bestimmt werden konnten – auch nicht genetisch“, erklärt die Projektmanagerin.
Mittlerweile befinden sich 150 Sorten in der Nachzucht. 120 von ihnen sind unbekannt und sehr selten. Sie alle sollen in Erhaltungsgärten angepflanzt werden. 50 Bäume sollen im Landkreis Miesbach eine Heimat finden.
Eine geeignete Fläche dafür wird noch gesucht. „Wir brauchen etwa 5000 Quadratmeter Fläche“, sagt Bichler-Öttl. Weil die Fläche als Ansichtsgarten für verschiedene Gruppen dienen soll, muss sie anfahrbar sein und sollte idealerweise nicht neben einem Wohnhaus liegen, um dessen Privatsphäre nicht zu belasten, ergänzt Miesbachs Kreisfachberater Arno Jaeger. Zudem seien Infotafeln vorgesehen, um Besucher mit den nötigen Informationen zu versorgen. Auch Führungen und Veranstaltungen sind geplant. Deshalb wäre eine öffentliche Fläche von Vorteil. Unterhalt und Pflege der Obstbäume sind durchaus anspruchsvoll. „Das ist aber kein Problem“, sagt Jaeger, „denn die Finanzierung dafür ist vorhanden.“
Bichler-Öttl bricht zudem eine Lanze für den bäuerlichen Obstgarten von einst. „Damals galt es, verschiedene Eigenschaften abzudecken“, erklärt sie. Frühreife und spätreife Sorten, welche gekocht oder getrocknet gut schmecken.“ Heute habe sich die Bandbreite reduziert. „Da geht es darum, tafelgeeignet, druckfest und lagerfähig zu sein. Auch ist ein bestimmtes Zucker-Säure-Verhältnis gewünscht.“
Das Projekt will möglichst viele dieser unbekannten, vergessenen Sorten in den Nahrungskreislauf integrieren. Davon könnten unter anderem auch Allergiker profitieren. Vor allem aber geht es darum, so die Artenvielfalt zu erhalten, sagt Bichler-Öttl. „Denn lebendige Sorten brauchen kein Museum.“
July 29, 2020 at 06:56PM
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