Wir Foodies sind nun mal so. Ausflüge ins schöne Brandenburg, okay, aber gibt’s da auch was Anständiges zu essen? Geleitet von derart niederen Instinkten habe ich es trotz Kloster und Brauerei nie bis nach Neuzelle geschafft. Bisher, denn vor ein paar Monaten drang die Nachricht von einem verrückten Koch durch, der früher auf den Fidschi-Inseln und in Berlin-Neukölln gearbeitet hat und die Küche der Region nun in Neuzelle stilistisch neu denkt.
Salat als Zitat
Neue regionale Küche, das bedeutet, dass die Produkte der Gegend eben nicht zu populären Klischeegerichten verkocht, sondern mit dem Wissen der Gourmetküche neu gedacht und arrangiert werden. Manuel Bunke, das ist besagter Küchenchef, hat aber keine Neigung zu Scheuklappen und tischt deshalb erst einmal augenzwinkernd einen dekonstruierten Caesar’s Salad „WKK-Style“auf, eine saftige Hühnerbrust mit Parmesan, Speck, pochiertem Eigelb und Blättern von Kapuzinerkresse. der die klassischen Zutaten also neu proportioniert und ebenso gut aussieht, wie er schmeckt.
Ein ganzes Stück entfernt, aber noch auf demselben Teller, liegt ein Stück geschmorte Ochsenbacke mit einem Reis-Cracker, gut gemacht, aber eigentlich ein separates Gericht (14 Euro).
Wie aus dem Umami-Lehrbuch
Die „Soupe populaire“ verbindet Bodenständigkeit mit Eleganz auf leicht verständliche Weise: Die Basis ist eine nicht zu sahnige Petersilienwurzelsuppe, drinnen liegt ein Löffel Zwiebelmarmelade, dessen Süße eine angenehme Balance schafft; das anti-vegane Statement sind ein paar Scheiben gereifter Schweinebauch (10).
Ton in Ton dann ein Zanderfilet, endlich einmal nicht „auf der Haut gebraten“, sondern ohne Haut in warmer Butter confiert, was Schmelz und abgerundete Würze gibt. Drumherum assistieren gehobelter Blumenkohl, Buchenpilze, Senfkörner sowie ein Blumenkohlpüree, dem über Erlenholz gerösteter Kohl einen subtilen Rauchgeschmack gibt; ein Hauch Zitrone ist drübergeschäumt. Ein gelungenes Gericht wie aus dem Umami-Lehrbuch, bei dem ich lediglich raten würde, die Püree-Menge etwas knapper zu (pro-)portionieren (27).
Schließlich geht es ganz nah an die Tradition mit einem Teller, auf dem nur Kartoffelstampf, cremiger Quark, Leinöl und Kresseblätter liegen, ebenso einfach wie köstlich wegen der herausragenden Produkte, das geht durchaus. Ach so: Eine genau gebratene Hähnchenbrust auf separatem Teller machte ein komplettes Gericht draus (29).
Zum Abschluss gibt es nur ein Dessert sowie Käse; wir probierten eine sanfte Kombination aus Rhabarberkompott mit Dulce-de-Leche-Creme, Kondensmilcheis und Korianderblättern, sanft ohne Säurespitzen (12); ebenso gut der lang gereifte Bergkäse mit geräucherter Entenbrust(14).
Wenn Zeit ist, greift der Küchenchef selbst in den sehr netten Service ein und trägt die Teller, selbst erklärend, an den Tisch. Atmosphärisch gut und wichtig. Zwei Dutzend Trendweine gibt’s dazu – und von mir die Bestätigung, dass dieses Restaurant im Land ganz oben mitspielt, stilistisch ohne Konkurrenz.
– Wilde Klosterküche. Bahnhofstr. 18, Neuzelle, T 033652/82 39 91, Do – So 12.30 – 16 und 17 – 21.30 Uhr.
- Lust bekommen auf einen Tagesausflug nach Neuzelle? Unser Kollege Ulf Lippitz hat sich dort mehr als die Stiftskirche angesehen. Den Bericht über seinen Tagestrip lesen Sie hier.
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July 24, 2020 at 05:06PM
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